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Einer von Uns: Matteo Gariglio (En La Boca, SW Bramberg)

ALL, das ist Fussball, Dreck und Leidenschaft. Fussballbegeisterte aus der schönsten Stadt der Schweiz (und Umgebung ) messen sich regelmässig auf dem herrlichen Kunstrasen mit dem runden Leder. ALL ist aber auch ein Begegnungsort und ein Sammelbecken von spannenden und innovativen Personen. Personen, die neben dem Fussballspielen noch andere Leidenschaften verfolgen und sich professionell oder hobbymässig in den verschiedensten Bereichen ausleben. «Einer von uns» stellt diese Personen ins Rampenlicht und gibt einen Einblick in ihr Schaffen. Heute is Matteo Gariglio (SW Bramberg) und sein Kurzfilm «En La Boca» an der Reihe:

Mit seinem Kurzfilm «En La Boca» sorgte Matteo Gariglio für Aufsehen. Der junge Luzerner zeigt in seinem Film Einblicke in das Innenleben von La Bombonera, dem weltberühmten Stadion der Boca Juniors in Buenos Aires. Gariglio stellt dabei nicht die Spieler sondern die Fans und die Menschen in den umliegenden Quartieren in den Mittelpunkt. Viel Zeit fürs Filmen muss der gute Matteo ja haben – er und sein Team SW Bramberg verwenden ja offensichtlich nicht viel Zeit fürs Trainieren. ALL fragt nach wie es zu diesem Film gekommen ist und wieso es noch keinen Kurzfilm über unsere fantastische Alternativliga gibt.

Matteo, wie kommt ein Luzerner Junge dazu, einen Kurzfilm über den legendären argentinischen Club Boca Juniors und sein noch fast bekannteres Umfeld zu drehen?

“Dazu kommen” triffts ziemlich gut. Ich hab vor einigen Jahren eine Zeit lang in Buenos Aires gleich an der Grenze zum La Boca Quartier gelebt. Während eines Spiels der dort heimischen Boca Juniors habe ich eine kleine Fotoarbeit über die “La Dose” begonnen (die Ultras des Clubs die wegen ihren Gewalteskapaden einen besonders schlechten Ruf geniessen). Nur durch Zufall bin ich in Kontakt mit ein paar Typen gekommen, die mir in einem heruntergekommenen Innenhof kurzerhand ein Ticket für das anstehende Spiel fälschten und mich ins Stadion schmuggelten. Als ich bei einem zweiten und dritten Match Besuch mit gefälschten Tickets die Familie kennen lernte die in ebendiesem Innenhof lebte und den kleinen illegalen Tickethandel betrieb wusste ich schnell: Hierüber will ich eine Doku drehen.

Welche Hürden galt es für den Dreh zu überwinden und wie reagierten die Menschen auf den Schweizer mit der teuren Videokamera?

Anfänglich war sicherlich das Schwierigste überhaupt Zugang zum Privatleben der Familie und ihren versteckten Geschäften zu bekommen. Ich hab die Familie immer wieder besucht und konnte so ihr Vertrauen gewinnen und eine enge Freundschaft aufbauen – die Familie ist mir in dieser Zeit wirklich sehr ans Herz gewachsen. Während dem Dreh sorgte sich vor allem die Familienmutter besonders um uns und behandelte uns fast wie ihre eigenen Kinder. Draussen auf den Strassen von La Boca, das neben dem lokalen Fussballclub für seine hohe Kriminalitätsrate bekannt ist, haben wir uns mit Kamera nur in der nähe von uns bekannten Einheimischen aufgehalten: Auf der einen Strassenseite schaute die kleine Gang des Sohnes der Familie zu uns, auf der anderen Strassenseite hielt der von der Familie bestochene Polizist ein wachsames Auge auf uns. Wenn jemand auf uns und die Kamera reagierte, nahmen uns die Familienmitglieder sofort in Schutz.

Inwieweit unterscheidet sich für dich die Fussball-Leidenschaft in Buenos Aires mit deren in der Schweiz?

Fussball hat in Argentinien generell einen ganz anderen Stellenwert als in der Schweiz. Fussball ist nicht “nur ein Sport” sondern schlägt seine Wurzeln ganz tief in die argentinische Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Die Fangruppen der Boca Juniors beispielsweise mischen im lokalen Drogenmarkt mit, kontrollieren den Tickethandel und alle Parkplätze im ganze Quartier und haben selbst auf Clubinterne politische Entscheidung einen grossen Einfluss. Dass der jetzige Präsident Argentiniens vor seinem Amtsantritt Präsident der Boca Juniors war, zeigt ziemlich gut welchen Stellenwert der Fussball und die Boca Juniors in Argentinien haben. Fussball ist Thema Nr. 1 bei vielen Gesprächen auf der Strasse, die Stimmung in den Stadien gleicht einem Tollhaus. Und nicht zuletzt leben ganz viele auch ärmere Leute irgendwie direkt oder indirekt vom Fussball – Wie das Beispiel der Molina Familie zeigt.

Wie kamst du dazu Filme zu drehen?

Ich hab mich schon immer sehr für Film und Fotografie interessiert – Ich entschied mich nach der Grundschule schliesslich für ein Filmstudium. Dort kam ich mit dem Dokumentarischen Film in Kontakt und ab meinem ersten Projekt war ich begeistert von diesem Medium. Heute arbeite ich in Film und Fotografie – bisher immer jedoch in Dokumentarischer Form.

Mit deinem Film «En La Boca» konntest du einige Preise gewinnen. Inwiefern hat das deine Arbeit an zukünftigen Projekten erleichtert?

Neben den vielen tollen persönlichen Erfahrungen die ich mit EN LA BOCA machen durfte, konnte ich auch beruflich sehr profitieren. Gerade der Platz auf der Oscar Longlist und die Nominationen für den Europäischen und den Schweizer Filmpreis werden mir sicherlich erleichtern, für ein nächstes Projekt Finanzierung finden zu können. Zudem bin ich durch den Film in Kontakt mit einigen Produktionsfirmen gekommen, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Das alles gibt mir sicherlich eine gute Basis – einfach wird es jedoch nicht, ein nächstes Projekt umsetzen und finanzieren zu können; uA auch wegen der Finanzpolitischen Lage in Luzern.

Gibt es bereits neue Projekte an denen du arbeitest?

Momentan bin ich wieder in der Recherche Phase – ein konkretes Projekt hab ich aber noch nicht.

Gibt es deiner Meinung nach neben deinem Dokufilm Fussballfilme, die man unbedingt sehen sollte?

Gerade in Bezug zu den Boca Juniors kann ich «Maradona by Kusturica» empfehlen. Und ansonsten denke ich, hat der Fussball so wie er heute funktioniert, sicherlich noch einige kritische Dokumentarfilme nötig, die etwas hinter die Stadion Kulissen schauen.

Welches Team der ALL hätte deiner Meinung nach schon lange einen Dokfilm verdient?

Natürlich SW Bramberg. Der Film heisst dann “SW Bramberg – vom Tabellenkeller zum Jahresmeister” und beleuchtet die unerwarteten sportliche Explosion des noch jungen Clubs. Alles dokumentarisch, nichts inszeniert. Tickets (natürlich gefälscht) für die Premiere im Juli 2019 können bei mir bezogen werden.

Wer EN LA BOCA anschauen möchte, kann das hier tun:

https://www.enlaboca.ch/

(Für 2 geschenkte Tore beim nächsten Spiel gegen SW Bramberg gibts auch einen Gratis Code)

oder nachlesen im 11 Freunde Magazin Nr. 197

https://www.youtube.com/watch?v=HDv3i1oJ-OQ&t=3s

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